{{ tweet.login }}

{{{ tweet.body | format }}}

Wird geladen...

×
×

Erwähnungen

×

Benachrichtigungen

Stu

Kritik von Stu

Gesehen: April, 2014

Er ist involviert bei den Späßen der legendären Jackass-Crew, er drehte Musikvideos die auch nach vielen Jahren immer noch herausgekramt werden, wenn es um kreative und außergewöhnliche Musikclips (u.a. „Praise You“ von Fat Boy Slim oder „Sabotage“ von den Beastie Boys) geht und dann inszenierte er noch gefeierte Filme wie „Being John Malkovich“ oder „Wo die Wilden Kerle wohnen“. Gemeint ist Spike Jonze, dessen neuster Spielfilm auf den kurzen aber prägnanten Titel „Her“ hört und für dessen Drehbuch Jonze am 2. März 2014 einen Oscar fürs beste originale Drehbuch erhielt. Mit Recht? Ja, mit definitiven Recht, denn „Her“ ist ohne Kompromisse ein großartiger, wenn nicht sogar herausragender Film. Wieso er das ist, wird der Autor dieses Textes versuchen in den nächsten Zeilen zu erklären. Schnell könnte die Vermutung aufkeimen, dass „Her“ den übermächtigen, mahnenden Stempel einer Gesellschaftskritik aufgedrückt hat. Alleine wie Jonze die im Film präsentierte Technik inszeniert und einsetzt weckt bekannte Bilder aus unserem Alltag: Menschen, die zusammen stehen und reden, jedoch nicht mit ihrem Gegenüber, sondern mit sich selbst, bzw. mit ihrem Mobiltelefon. Doch obgleich diese Intention wahrlich nicht von der Hand zu weisen ist und dieser Subtext den vierten Spielfilm von Spike Jonze durchzieht wie Kapillargefäße, ist „Her“ in erster Linie doch mehr daran interessiert eine romantische Geschichte zu erzählen, einhergehend mit der Frage ob wir auch wirklich dann einsam (besser gesagt: alleine) sind, wenn wir niemanden an unserer Seite haben, außer die moderne Technik, die uns, wie heutzutage, es ermöglicht mit anderen Menschen zu kommunizieren, auch wenn der gute, alte Blickkontakt fehlt oder sogar ganze Weltmeere zwischen ihnen liegen? Aus dieser Frage entspinnt „Her“ dann aber mehr als eine Abhandlung schnöder Plattitüden, Pro und Kontras. Viel mehr erweitert er sie: Kann man sich in jemanden verlieben, den man noch nie gesehen hat? Kann man sich verlieben in eine Stimme, die zwar liebevoll und bezaubernd klingt, die allerdings von einer Software stammt? Auch hier wäre es einfaches gewesen, diese Frage zu zerschmettern, sie als Unfug abzutun, aber wir alle leben doch bereits jetzt in einer digitalisierten Welt, in der das physische immer zweitrangiger wird. Nur als Beispiel sei hier einmal angebracht, dass sich die Autoren dieses Film-Blogs noch nie persönlich getroffen haben, sich aber dennoch über Facebook und Twitter hinaus aus Freunde bezeichnen würden. Statt den modernen Weg der Kommunikation zu dämonisieren, zeigt Jonze in „Her“ einfach eine Liebesgeschichte, zwischen Autor Theodore und einer Software, die sich selbst Samantha nennt. Es ist der nächste, klare Schritt im Kreislauf der sozial-kommunikativen Renovation. Aus zwei menschlichen Gesprächspartnern werden ein Mensch und eine Maschine. Was beängstigend klingt, da es aber von dort an nur noch ein kleiner Schritt ist, bis das Humane komplett wegfällt, nutzt Jonze für seinen hintersinnigen Film „Her“, der sich sehr offen und ohne Angst dieser Thematik annimmt und dennoch das Menschliche mehr fokussiert als die Elektronik. Überhaupt nähert sich „Her“ dem Ganzen ohne großen Druck ohne Scham (Sexualität wird nicht ausgespart). Was auf dem Papier, Tablet oder Monitor befremdlich klingen mag, wird im Film fast schon nonchalant erzählt und akzeptiert. Faszinierend und durchaus mutig. Ebenfalls faszinierend an „Her“ ist sein Setting. Das production design spiegelt gekonnt die Größe und Weite heutiger Metropolen wider, genau wie aktuelles Technikspielzeug, verleiht diesen jedoch einen futuristischen Anstrich, der weder aufgesetzt noch prahlerisch wirkt. Ohne auch nur eine Sekunde an eine Exposition zu verschwenden, schafft es „Her“ dem Publikum zu suggerieren, dass die gezeigte Welt unsere Zukunft ist. Eine unaufdringlich detaillierte Zukunft (man achte nur einmal auf die konstante Mode), die stilistisch und technisch nicht nur besonders nah, sondern fast schon zwangsläufig erscheint - auch wenn sie vielleicht etwas zu hell erstrahlt, was wiederrum ein guter Konterpunkt ist, zur Einsamkeit, die Jonze zeitgleich einfängt. Denn vor den großen Fenstern, weitläufigen Betonplatten zwischen den Hochhäusern und modischen Büros scheint es keinen Platz für Wärme zu geben. Kein Wunder also, dass Theodore sein Geld damit verdient, dass er für andere Liebesbriefe schreibt. Auch hier zeigt sich, das Spike Jonze mit „Her“ ein durch und durch visionäres Werk geschaffen hat. Visionär nicht alleine durch seine Reflexion über unser Leben, sondern auch, weil es ihm ohne sichtbare Probleme gelingt eine große Liebe zu entfachen, die teilweise aus bits and bytes besteht und dennoch große, ehrlich wirkende Emotionen generiert. Darstellerisch kann „Her“ ebenfalls überzeugen. Allen voran wegen Joaquin Phoenix, der mit seinem auffälligen Schnauzbart und seinem liebenswerten Hundeblick erneut beweist, dass er ohne Zweifel zu den besten Schauspielern seiner Generation gehört. Nach seiner kraftvollen Performance in Paul T. Andersons „The Master“, brilliert er hier als gewöhnlicher Alltagstyp, der dabei ist an der Scheidung von seiner Frau zu zerbrechen, bis er auf Samantha trifft, die körperlose Stimme aus dem Computer. Neben Phoenix geben sich noch andere, aktuell oft in gefeierten Filmen zu sehende, Darsteller die Ehre. Herausstechend dabei ist Amy Adams, die hier nach „American Hustle“ wieder in einem bodenständigen, natürlichen, charmanten Glanz erstrahlt und trotz ihrer eher geringen screentime (der Film ist absolut und gerechtfertigter Weise auf Phoenix fokussiert) erneut beweist, wie großartig sie ihren Job meistern kann. Auch Rooney Mara („The Social Network“, „Ain’t them Bodies Saints“) als Theodore Noch-Ehefrau Kathrine hinterlässt mit ihrem wenigen aber äußerst wichtigen Szenen einen äußerst positiven Eindruck. Lediglich Chris Pratt („Zero Dark Thirty“, "Fast Verheiratet") der diesen Sommer im langerwarteten Marvel-Vehikel von James Gunn, „Guardians of the Galaxy“, zu sehen sein wird, bleibt etwas zu blass und konturlos. Dafür gibt sich "Her" bei den Stimmen keinerlei Blöße. Scarlet Johansson als Samantha ist schlicht und einfach herausragend. Spike Jonze hat mit „Her“ großes, emotionales, intelligentes, mutiges Kino abgeliefert und gleichzeitig einen scharfsinnigen, aber niemals böswilligen, Blick auf unsere heutige Sozialkultur geworfen. Obendrein bietet Jonze Script einige wirklich grandiose komödiantische Momente, die zwischen brillant absurd und zartbitter variieren. Trotz dieser humoristischen Abwechslungen bleibt „Her“ fest verwurzelt in der Melancholie, jedoch biete diese wesentlich mehr Platz als nur für Wehmut. Zwischen den ganzen gesellschaftlichen und kulturellen Tableaus offenbart Spike Jonze die hoffnungsvolle Botschaft, dass wir nicht alleine sein müssen, unterlegt von den teils sphärischen Musikkompositionen der Band Arcade Fire. Einfach ein ganz wundervoller Film, oder anders und passender ausgedrückt: "Gefällt mir". Sehr sogar.

Wird geladen...